Brandung und Gischt, Wellen und Wogen - mit einer
suggestiven Videoinstallation beginnt die Schau in Chemnitz. Die
isländische Künstlerin Steina Vasulka beschwört die Ur-Kraft des
Wassers - und das im schönsten Breitwandformat. Auf mehreren
Monitoren sieht man das tosende Meer - es ist ein Element, aus dem
alles Leben kommt - und das alles verschlingt.
Das Wasser als ungebändigte Macht der Natur - mit diesen
wuchtigen Bildern verweist die Künstlerin auf die große Welt, die
uns umgibt. Und dass diese Welt dem Menschen sehr gefährlich werden
kann, das zeigt ein surreales Videostilleben von Dorothy Cross.
Zunächst erinnert es einen an die hintersinnigen Rätselbilder eines
René Magritte , wo das Fremde in die bürgerliche Idylle einbricht.
Und so sieht man eine altmodische englische Teetasse, doch im Innern
des Gefäßes tobt ein Kampf auf Leben und Tod.
Storm in a tea cup - Der lebensgefährliche Sturm im Wasserglas -
mit Witz und Ironie hinterfragt die Künstlerin die achtlos
dahingesagten Sprichwörter. ( - und sie füllt die blutleeren
Metaphern wieder mit Leben.) Doch nicht nur alltägliche Redensarten
liefern den Stoff für die Künstler, sondern auch die Märchen und
Mythen, die sich um das Wasser ranken - wie z.B. der uralte Traum,
die Erdenschwere für immer hinter sich zu lassen.
Der regressive Wunsch, ein Fisch im Wasser zu sein - die
Sehnsucht, der Mühsal der Welt zu entfliehen - mit diesem Stoff
spielt die amerikanische Künstlerin Joan Jonas. Sie hat eine
Video-Skulptur gebaut und sie erzeugt die Illusion eines
Brunnenschachts. Und tief unten im Brunnen, da räkelt sich eine
laszive Nixe.
Das Wasser als Medium der geistigen Reinigung, das Wasser als
Sinnbild des Unbewussten - diese Dimension erkundet auch der
berühmte Medienkünstler Bill Viola. Er hat mehrere Tonnen mit Wasser
gefüllt und dann in jeder Wassertonne einen Videomonitor versenkt.
Schaut man nun in ein solches Fass, dann sieht man das Bild eines
Schläfers.
Der Schlaf und der Strom des Unbewussten, das Wasser als sanftes
Element und als psychologische Projektionsfläche - Bill Viola
umkreist die stille Außenseite der Traumwelten. Ganz anders die
amerikanische Künstlerin Janet Biggs. In ihrem Video zeigt sie das
Wasser als feindliches Element, das man bezwingen muss - und das
gilt für Mensch und Tier. Die Arbeit heißt "Wassertraining" und man
sieht einerseits, wie sich blutjunge Synchronschwimmerinnen schinden
müssen. Zum andern aber sieht man die Qualen der Dressur.
Die außergewöhnliche Beziehung von Wasser und Mensch. Mit
hochkarätigen Arbeiten umkreist die Chemnitzer Schau ein uferloses
Thema. Und so geht es auch um Körperflüssigkeiten und religiöse
Wasserrituale, um Wellness-Kult und Hygiene-Terror, um Erotik und
feministische Rollenspiele. Jeder einzelne Aspekt wäre eine eigene
Ausstellung wert gewesen, und so droht bisweilen die Gefahr, dass
das Thema sprichwörtlich verwässert wird.
Dennoch kann der Besucher lustvoll eintauchen in die Bilderfluten
und spannende Entdeckungen machen. Und ganz sinnlich kann er hier
eine zentrale Erkenntnis der griechischen Philosophie erfahren. Denn
wie hatte Heraklit einst so schön formuliert?
"Panta rei -
Alles fließt."